Herrmann Zweiter im zweiten Bundesliga-Radrennen auf Zwift

Noch strahlen die Sterne am klaren Nachthimmel über der Wüste des amerikanischen Westens. Weitab jeder Zivilisation erwarten 343 Radsportler und -sportlerinnen ungeduldig den Start ihres Radrennens. Als der Countdown abläuft, beginnt die wilde Hatz. Auf breiten Straßen schlängelt sich das riesige Fahrerfeld mit Volldampf vorbei an vom Wind geformten Gesteinsformationen. Niemand trägt eine Startnummer, viele auch keinen Helm. Das Peloton passiert eine kleine Stadt, die an Las Vegas erinnert. Gleich darauf beginnt der entscheidende Anstieg des Rennens. Mit zunehmender Höhe wird die Vegetation grüner, sogar Mammutbäume säumen die Strecke.

Thomas Lienert kämpft in seiner Münchner Wohnung ums Überleben. Der Lüfter, ihm von Angesicht zu Angesicht platziert, läuft auf Volllast. Herzfrequenz 180, seit 15 Minuten. Seine Freundin hat er des Zimmers verwiesen, nachdem sie sich zu sehr über ihn lustig gemacht hatte. 

Was verbindet diese beiden Geschichten miteinander? Die Antwort ist einfach: eine Datenverbindung. Lienerts Leistungsmesskurbel meldet die von ihm erzeugt Leistung an seinen Computer, der sendet die Daten über das Internet an Zwift. Zwift, so heißt die Online-Plattform, auf der sich seit Corona so viele Radsportler wie nie zuvor gegeneinander messen. Virtuell, aber der Schweiß ist real. Auch der Bund Deutscher Radfahrer hat das Potenzial dieses Systems entdeckt und seine Bundesliga ‒ immerhin die am höchsten klassierte Rennserie Deutschlands ‒ pandemiebedingt auf Zwift verlegt. 

Quelle: Zwift Inc.

Lienerts 400 Watt Leistung reichen leider nicht ganz, um seinen virtuellen Avatar in der ersten Gruppe zu halten. Besser gelingt das Johannes Herrmann und Raphael Bertschinger. Als die kleine Kopfgruppe ein Wild-West-Kaff passiert, beginnt endlich auch die live-Übertragung des Rennens auf Youtube. Rick Zabel, Erik Zabels Sohn und selbst Radprofi beim Team Israel Start-Up Nation, bemüht sich redlich, das Geschehen zu kommentieren. Aber spätestens als das Rennen von ihm unbemerkt die Ziellinie passiert muss er gestehen, dass dieser Teil des Internets auch für ihn Neuland ist. 

Derweil beginnt Johannes Herrmann in seinem Keller langsam wieder klare Bilder zu sehen. Der ehemalige Deutsche Zwift-Meister hat versucht das lilafarbene Führungstrikot der Radbundesliga, welches er am Mittwoch im Prolog gewinnen konnte, zu verteidigen. Mit Platz zwei gelingt ihm das nicht ganz, dennoch ist es streng genommen die zweitbeste Platzierung der Rad-Union Wangen bei einem Bundesliga-Rennen. Noch erfolgreicher war nur er selbst ‒ eben am Mittwoch.

Ein paar Momente später haben auch Bertschinger als 23, Lienert als 58. und Clauß als 120. das Ziel erreicht. Dennis Claßen musste das Rennen aufgrund eines Aussetzers seiner Internetverbindung ‒ die Zwift-Version eines platten Reifens sozusagen ‒ leider aufgeben. Das Team der Rad-Union platziert sich auf Rang zwei der Team-Wertung, hinter der Mannschaft vom Sportforum Büttgen.

Quelle: Zwift Inc.

Johannes Herrmann konnte sich nach dem Rennen noch über eine kleine Überraschung in seinem Briefkasten freuen: Das Führungstrikot der Bundesliga, ganz real in Größe S, wurde ihm per Post ‒ wenn auch etwas verspätet ‒ zugestellt.

Von nun an finden die Rennen der Bundesliga jeden Samstag, bis einschließlich 16. Mai statt. Die Live-Übertragungen sowie die Aufzeichnungen der Rennen können auf Youtube unter „GCA LIGA powered by MÜLLER | DIE LILA LOGISTIK“ gefunden werden.