Rad-Union Wangen „wächst mit seinen Aufgaben“

Bundesligateam bestreitet sechstägige Profi-Rundfahrt in Polen.
„Der Sportler wächst mit seinen Aufgaben.“ resümierte Rolf Keller, sportlicher Leiter des Bundesligateams der Rad-Union Wangen, nach sechs Renntagen quer durch Polen. „Neben den Bundesligarennen möchten wir unseren Fahrern bei ein bis zwei Rundfahrten im Jahr die Möglichkeit geben, ein Niveau an Rennhärte zu erlangen, welches durch Training alleine nicht erreichbar wäre. Gerade für die jungen Sportler wie Marco Barke und Fabian Brämer bietet sich darüber hinaus die Gelegenheit, Rennerfahrung in einem internationalen Fahrerfeld zu sammeln.

Mit der Baltyk-Karkonosze Tour hatten wir uns ein ehrgeiziges Projekt vorgenommen: Die UCI [der Radsportweltverband, Anm. d. Red.] kategorisiert diese Rundfahrt als 2.2, d.h. es dürfen auch Teams starten, welche die Tour de France bestreiten. Entsprechend gut besetzt war das Fahrerfeld.“ Tatsächlich: Fahrer aus Schweden, Norwegen, Dänemark, Kasachstan, Weißrussland, Russland, Österreich, Ungarn, der Slowakei und den Niederlanden sorgten neben Deutschen und Polen für ein illustres Sprachengewirr im Starterfeld. Elf der 26 Mannschaften dürfen sich offiziell Profiteam nennen, das polnische Team „CCC Sprandi Polkowice“ hat sogar ProContinental-Status und war 2017 beim Giro d’Italia am Start.

Die Baltyk-Karkonosze führt, wie der Name dem des Polnischen Kundigen verrät, von der Ostsee ins Riesengebirge. Nach einem kurzen Prolog am Dienstagabend führte die erste Etappe am Mittwoch über 170 km von Kolobrzeg gen Süden nach Trzcianka. Die knallharte Fahrweise lies, unterstützt von etwas Rückenwind, eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 46,2 km/h auf den Tachos der Fahrer erstrahlen. Fahrer Silias Motzkus kommentierte: „Ich hätte gar nicht gedacht, dass sowas möglich ist.“ Hermann Keller brillierte im Finale mit seinen Sprintfähigkeiten und überquerte als 13. das Ziel.

Etappe Nummer zwei, ein 120-km-Rundkurs um Zbaszynek nahe Zielona Gora, wurde ebenfalls mit einem 46,2 km/h Schnitt absolviert – diesmal ohne Rückenwind. Eine besondere Herausforderung lag in der Imperfektion der polnischen Straßen: Stets war es nötig Schlaglöchern auszuweichen oder sie mit einem „Bunny Hop“ zu überspringen. In der Enge des dahinrasenden Pelotons keine leichte Aufgabe. Dank guter Reifen blieben die sechs Unionsfahrer jedoch während der gesamten Woche schadensfrei.

Die Freitagsetappe brachte die Tour-Karawane 165 km weiter nach Süden: Von Kozuchow nach Kowary. Neben den ersten Hügeln des Riesengebirges waren es vor allem schier endlose Kopfsteinpflasterpassagen, welche, zusammen mit starkem Seitenwind, das Feld immer wieder auseinanderrissen. Dazu Fahrer Thomas Lienert: „Eine Etappe, die Mensch und Material bis auf’s äußerte strapazierte. Das Fahren auf diesen Passagen erforderte stets höchste Konzentration, trotz fortgeschrittener Erschöpfung.“
Das Ziel des Bergzeitfahrens am Samstag lag auf über 1000 m ü. NN im Schatten der Schneekoppe, dem höchsten Berg des Riesengebirges. Ihrer geringen Erfolgschancen bewusst, ermüdet und die Königsetappe am Folgetag vor Augen, ließen es die Wangener ruhig angehen. Nur Peter Clauß nutzte die Gelegenheit für einen Leistungstest und erreichte mit maximaler Anstrengung den 64. Platz. Mit einem kurzen „Autsch.“ kommentierte der Baden-Württembergische Meister dieses Resultat.
Die Strecke der Schlussetappe war schließlich eine fortwährende Kletterpartie. Sieben Anstiege verteilten sich auf 115 km und summierten sich auf reichlich 2000 Höhenmeter. Das favorisierte Team CCC Sprandi Polkowice, welches bis dahin nur den Sieg im Bergzeitfahren verbuchen konnte, versuchte vergeblich das Gelbe Trikot von Ex-Cross-Profi Philipp Walsleben zu erobern. Das gnadenlose Tempo dezimierte das Fahrerfeld drastisch, wobei Clauß erneut seine derzeit gute Form bewies und sich bis zu letzt im Hauptfeld halten konnte.

„Nach diesem Belastungshammer ist in den nächsten Tagen Erholung angesagt. Wenn alles gut geht, können wir in zwei bis vier Wochen mit einer spürbaren Leistungssteigerung rechnen.“ Prognostizierte Mannschafts-Co-Direktor Fritz Frehner. Das Plus an Druck auf dem Pedal können die Wangener auch gut gebrauchen, denn mit weiteren Bundesligarennen in Ilsfeld-Auenstein und der Deutschen Profimeisterschaft stehen die nächsten Höhepunkte bereits vor der Tür.